Die Regelungen zum Pflichtteil sind in den Artikeln 1825 – 1845 ZGB geregelt. Anders als im deutschen Recht, wonach dem Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben lediglich ein schuldrechtlicher Zahlungsanspruch zusteht, besteht im griechischen Recht ein sog. Noterbrecht. Der Pflichtteilsberechtigte erwirbt gemäß Art. 1846 ZGB unmittelbar und ohne weiteres mit Eintritt des Erbfalls das Pflichtteilsrecht. Er ist gemäß Art. 1825 § 2 ZGB in Höhe seiner Pflichtteilsquote als echter (Mit-)Erbe an der Erbschaft beteiligt. Der Pflichtteilsanspruch ist darüber hinaus auch vererblich, wobei die Erbschaft wahlweise angenommen oder ausgeschlagen werden kann.
Pflichtteilsberechtigt sind gemäß Art. 1825 § 1 S.1 ZGB neben den Abkömmlingen (Kinder, Enkel, Urenkel etc.) sowohl die Eltern des Erblassers als auch der überlebende Ehegatte, sofern sie als gesetzliche Erben berufen wären. Bei den Eltern gilt es jedoch gemäß Art. 1819 ZGB zu beachten, dass diese nur dann pflichtteilsberechtigt sind, falls keine Abkömmlinge vorhanden sind.
Die Höhe des Pflichtteils beträgt gemäß Art. 1825 § 1 S. 2 ZGB die Hälfte des Anteils, der dem Pflichtteilsberechtigten im Falle der gesetzlichen Erbfolge zugestanden hätte.
In Fällen, in denen der Pflichtteilsberechtigte entweder ganz oder teilweise rechtmäßig enterbt wurde oder er auf das Pflichtteilsrecht ganz oder teilweise verzichtet hat, oder er aufgrund von Erbunwürdigkeit weggefallen ist, üben gemäß Art. 1826 ZGB diejenigen Pflichtteilsberechtigten das Pflichtteilsrecht aus, die gemäß gesetzlicher Erbfolge an dessen Stelle berufen sind. Dabei gilt gemäß Art. 1830 ZGB, dass zur Bestimmung des gesetzlichen Erbteils, auf dessen Grundlage der Pflichtteil berechnet wird, alle Erben zu berücksichtigen sind, mithin die testamentarisch Enterbten, diejenigen, die die Erbschaft ausgeschlagen haben sowie die als erbunwürdig Erklärten. Dies führt jedoch vorliegend zu Widersprüchen. Nach Ansicht der herrschenden Rechtsprechung bewirkt der Ausfall eines Pflichtteilsberechtigten keine Anwachsung zugunsten anderer Pflichtteilsberechtigter.
Dem Pflichtteilsberechtigten steht gemäß Art. 1827 ZGB ein Pflichtteilsergänzungsanspruch für den Fall zu, dass der ihm hinterlassene Erbteil geringer ist als der ihm gesetzlich zustehende Pflichtteil.
Für den Fall, dass dem Pflichtteilsberechtigten ein Vermächtnis hinterlassen wurde, dessen Wert jedoch den Pflichtteil nicht deckt, kann der Pflichtteilsberechtigte wahlweise gemäß Art. 1828 § 1 S. 2 ZGB das Vermächtnis annehmen und den fehlenden Teil vom Erben verlangen, oder gemäß Art. 1828 § 1 S. 1, 2001 § 2 ZGB das Vermächtnis ausschlagen und stattdessen sein Pflichtteilsrecht geltend machen. Der Erblasser kann dem Pflichtteilsberechtigten sein Pflichtteil gemäß Art. 1833 § 1 i.V.m. Art. 1831 § 2 ZGB bereits auch zu Lebzeiten unentgeltlich zuwenden, soweit diese unentgeltlichen Zuwendungen anrechenbar sind und der Erblasser bei Vornahme der Zuwendung nichts anderes bestimmt und eine Anrechnung nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat. In den Fällen, in denen der Erblasser testamentarisch dem Pflichtteilsberechtigten lediglich ein beschränktes dingliches Recht auf den Nießbrauch zuwendet, ist der in den Nießbrauch eingesetzte Pflichtteilsberechtigte in Höhe seines Pflichtteils unbeschränkt an allen Erbschaftsgegenständen beteiligt. Die Zuwendung nur des Nießbrauchs stellt gemäß Art. 1829 ZGB eine unzulässige Beschränkung des Pflichtteilsrechts dar. Dasselbe gilt auch bei Zuwendung lediglich des Wohnrechts.
Der Pflichtteil kann nach h.M. darüber hinaus auch durch die Zuwendung einer bestimmten Geldsumme hinterlassen werden.
Verletzung des Pflichtteilrechts
Eine Verletzung des Pflichtteilsrechts liegt vor, soweit der Pflichtteilsberechtigte vom Erblasser in seinem Testament übergangen wird, letzterer dem Pflichtteilsberechtigten weniger als den Pflichtteil zuwendet, oder ihm Beschränkungen auferlegt, die sein Pflichtteil beeinträchtigen. Wird der Pflichtteilsberechtigte völlig übergangen, so kann er gemäß Art. 1827 ZGB seinen Pflichtteil beanspruchen. Anderenfalls kann er, falls ihm weniger als der Pflichtteil zugewendet wurde, das zu seiner Deckung Fehlende verlangen. In Fällen, in denen das Pflichtteilsrecht des Pflichtteilsberechtigten beschwert ist, z.B. durch Bedingungen, Befristungen oder Testamentsvollstreckungen, gelten diese gemäß Art. 1829 ZGB als „nicht geschrieben“ und sind folglich unwirksam.
Art. 1825 § 1 S. 2 ZGB regelt die Höhe des Pflichtteils. Dieser besteht in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Demnach muss dieser vorab ermittelt werden. Hierzu werden alle gesetzlichen Erben mitgerechnet, die testamentarisch wirksam enterbt wurden, die Erbschaft ausgeschlagen haben oder für erbunwürdig erklärt wurden. Anschließend ist die Höhe des Pflichtteils zu berechnen, wobei gemäß Art. 1831 § 1 ZGB der Wert des Nachlasses zum Todeszeitpunkt nach Abzug der Schulden, der Beerdigungskosten und der Inventarisierung der Erbschaft zu ermitteln ist. Danach sind alle unentgeltlichen Zuwendungen des Erblassers zu Lebzeiten gegenüber einem Pflichtteilsberechtigten hinzuzurechnen sowie gemäß Art. 1831 § 2 ZGB jede Schenkung des Erblassers (auch an Dritte) innerhalb der letzten zehn Jahre vor seinem Tod, sofern sie nicht einer besonderen sittlichen Pflicht entsprach, oder mit Rücksicht auf den Anstand erfolgte.
Soweit dies erforderlich ist, kann der Wert des Nachlasses auch durch Schätzung, notfalls durch ein Sachverständigengutachten, ermittelt werden.
Gerichtliche Durchsetzung des Pflichtteilrechts
Die Pflichtteilsberechtigten können ihr Pflichtteilsrecht zum einen im Wege einer Erbschaftsklage gemäß Art. 1871 ff. ZGB durchsetzen. Voraussetzung für eine Erbschaftsklage nach den Art. 1871 ff. ZGB ist die Annahme des Pflichtteils durch den Pflichtteilsberechtigten. Mit der Erbschaftsklage begehrt der Pflichtteilsberechtigte wahlweise die Anerkennung seines Erbrechts, oder die Herausgabe der Erbschaft entsprechend der Höhe des Pflichtteils oder einzelner Erbschaftsgegenstände. Aktiv legitimiert ist dabei der Pflichtteilsberechtigte selbst, einer seiner Erben, berechtigte Dritte oder auch seine Gläubiger. Passiv legitimiert ist der Erbschaftsbesitzer, dessen Erben sowie jeder Nachfolger, der die Erbschaft vertraglich vom Passivlegitimierten erworben hat.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Pflichtergänzungsklage, sog. Klage „wegen einer, die Fürsorgepflicht verletzendenD Schenkung“. Diese ist in den Art. 1835-1838 ZGB geregelt. Ziel dieser Klage ist die Beseitigung der vom Erblasser zu Lebzeiten vorgenommenen Schenkungen, falls diese ein Pflichtteilsrecht beeinträchtigen. Voraussetzung dafür ist, dass der zum Todeszeitpunkt des Erblassers vorhandene Nachlass nicht zur Deckung des Pflichtteils ausreicht. Dabei ist abzustellen auf den Zeitpunkt des Anfalls der Erbschaft und nicht auf den Zeitpunkt der Schenkung. Bei Obsiegen gilt die Schenkung ex nunc, also für die Zukunft beseitigt. Es besteht jedoch gemäß Art. 1836 § 1 S. 2 ZGB für den Beschenkten die Möglichkeit, die Klage durch Entrichtung des fehlenden Betrages abzuwenden. Der Pflichtteilsberechtigte kann wiederum bis zum Erlass des Gerichtsurteils eine Verzichtserklärung hinsichtlich der Klageerhebung abgeben. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß Art. 1836 § 2 ZGB zwei Jahre.
(Stand: März 2023. Alle Angaben erfolgen unter Vorbehalt und ohne Gewähr.)