Der Verkauf von Solarstrom könnte Griechenland Milliarden bescheren, für den Export fehlen aber die Leitungen; Athens Energieminister will das Problem mit einem Kunstgriff umgehen.
Autor: Florian Eder in Welt-online vom 16.4.2012
Griechenland nimmt seine industrielle Zukunft selbst in die Hand. Das staatliche Sonnenstromprojekt Helios werde "etwa 60.000 Arbeitsplätze schaffen", sagte der zuständige Energieminister George Papakonstantinou in einem Interview mit "Welt Online". Er rechnet damit, dass Athen aus dem Verkauf von Solarstrom "bis zu 15 Milliarden Euro an Staatseinnahmen erlösen kann, die zum Schuldenabbau verwendet werden können". Beides, Arbeitsplätze wie Einnahmen, braucht Griechenland dringend, spielt die Industrie doch bislang kaum eine Rolle in der gebeutelten Wirtschaft des Landes.
Erklärtes Ziel der Geldgeber und der Regierung in Athen ist es, dass das Land nach dem Auslaufen des europäischen Hilfsprogramms 2015 wieder auf eigenen Beinen stehen können soll. Das ehrgeizige Helios-Projekt soll Griechenlands 300 Sonnentage im Jahr zu Geld machen. Die Idee, natürliche Ressourcen dort zu nutzen, wo sie im Überfluss vorhanden sind, liegt nahe.
Deutsche Solarunternehmen in der Krise
Phoenix Solar
Dem Solartechnikkonzern machen Finanzierungsprobleme zu schaffen. Der im Dezember 2011 den Gläubigern vorgelegte Restrukturierungsplan müsse wegen der massiven Einschnitte bei der Solarförderung überarbeitet werden, teilte das Unternehmen am Montag mit. Die Aktie brach am Dienstag zeitweise um rund 28 Prozent ein.
Q-Cells
Der einst größte deutsche Solarkonzern mit rund 2300 Mitarbeitern und einem einstigen Börsenwert von acht Milliarden Euro wollte noch am Dienstag Insolvenz beantragen. Das Unternehmen aus dem „Solar Valley“ im ostdeutschen Bitterfeld-Wolfen hatte Ende vergangener Woche seine Sanierungspläne aufgegeben. Q-Cells wollte sich unter anderem dadurch sanieren, dass Anleihe-Gläubiger einen Zahlungsaufschub gewähren und auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten.
Solon
Der Solarmodulbauer hatte Mitte Dezember Insolvenz angemeldet, war jedoch vor wenigen Wochen durch einen Verkauf gerettet worden. Der Solarzellen-Produzent Microsol aus den Vereinigten Arabischen Emiraten erhielt den Zuschlag. Dieser will 433 der 471 Arbeitsplätze erhalten. Die Solon-Aktionäre gehen allerdings leer aus. Der nicht genannte Kaufpreis geht an die Gläubiger des mit 400 Millionen Euro verschuldeten Berliner Unternehmens.
Solarhybrid
Der Kraftwerksentwickler hatte am 21. März Insolvenzantrag gestellt. Anfang März hatte der Vorstand das Geschäftsmodell in Frage gestellt, nachdem die Bundesregierung angekündigt hatte, die Förderung von Solar-Großkraftwerken zu streichen. Zudem drohe der Verlust von bereits getätigten Investitionen von über zehn Millionen Euro für Projekte, die nun nicht mehr oder nur teilweise realisiert werden könnten.
Solar Millenium
Bereits im Dezember hatte die Pleitewelle den Kraftwerksentwickler Solar Millenium erreicht. Das Unternehmen meldete Insolvenz an. Zwei Transaktionen seien nicht zustande gekommen, die für dringend benötigtes Kapital sorgen sollten, hieß es. Im Sommer 2011 hatte das auf Parabolrinnen-Kraftwerke spezialisierte Unternehmen ein Milliardenprojekt in den USA aufgegeben. Der Konzern steht zudem im Dauerclinch mit seinem 74-Tage-Chef Utz Claassen. Dieser hatte dem Konzern zufolge Solar Millenium in den USA wegen Rufschädigung auf Schadenersatz in Höhe von 265 Millionen Dollar verklagt.
SMA SOLAR
Der Weltmarktführer für Wechselrichter, dem Herzstück einer Solaranlage, gehört zu den wenigen, die noch schwarze Zahlen schreiben. Der Preisverfall hat aber auch bei SMA im vergangenen Jahr für einen Gewinneinbruch gesorgt. Firmenchef Pierre-Pascal Urbon erwartet auch im laufenden Jahr weitere Einbußen.
Solarworld
Auch der einstige Star am Solar-Himmel ist im vergangenen Jahr tief in die roten Zahlen geraten. Konzernchef Frank Asbeck ist sich aber sicher, mit seinem Unternehmen zu denen zu gehören, die die Krise und Konsolidierung der Branche überleben werden. Er kündigte zuletzt für 2012 die Rückkehr in die Gewinnzone an, zumindest vor Zinsen und Steuern (Ebit). Gegen die Billigkonkurrenz aus China ist Asbeck in den USA mit sechs weiteren Firmen zu Felde gezogen und plant dies auch in Europa. Er fordert Strafzölle auf Billig-Importe aus dem Land der Mitte. Eine erste vorläufigen Entscheidung des US-Handelsministeriums über Anti-Subventionszölle enttäuschte aber. Sie fielen mit 2,9 bis 4,73 Prozent niedriger aus als erwartet. Asbeck hofft indes, dass das Ministerium im Laufe seiner Untersuchungen höhere Anti-Dumpingzölle verhängen wird.
Conergy
Der Hamburger Solarkonzern ringt seit längerem ums Überleben, nachdem er durch Missmanagement bereits 2007 ins Wanken geraten war. Nach einem Kapitalschnitt und anschließender Sachkapitalerhöhung gehört Conergy zu einem großen Teil Hedgefonds. Zudem hat sich die defizitäre Firma vom größten Teil ihrer Produktion getrennt und Personal abgebaut. Conergy ist als Systemanbieter und Projektentwickler unterwegs und hofft 2012 erstmals wieder – zumindest vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) – auf einen kleinen Gewinn. 2013 sollen dann auch unter dem Strich schwarze Zahlen stehen – erstmals seit 2005.
Centrotherm
Auch bei dem lange erfolgsverwöhnten Solar-Anlagenbauer Centrotherm sieht es mau aus. Der schwäbische Konzern rutschte 2011 nach Wertberichtigungen in die roten Zahlen. Das Management steuert nun mit Entlassungen und Kurzarbeit gegen. Lange hatte Centrotherm von der hohen Nachfrage in Asien nach effizienten Anlagen zur Produktion von Solarzellen und -modulen profitiert. Mit den weltweiten Überkapazitäten in der Solarbranche und dem Preisverfall sowie den Auswirkungen der Bankenkrise ebbten die Geschäfte indes ab.
Bosch Solar
Der weltgrößte Autozulieferer Bosch hatte sich mit der Übernahme der Solarunternehmen Ersol, Aleo Solar und Voltwerk ein neues Standbein aufgebaut. Doch der Stuttgarter Technologiekonzern hat bislang nicht viel Freude an seinen Töchtern gehabt. Allein im vergangenen Jahr schrieb er rund eine halbe Milliarde Euro auf die kleine Sparte ab. Den Baubeginn einer geplanten Solar-Fabrik in Malaysia verschob er zuletzt.
Roth & Rau
Auch der Solar-Maschinenbauer Roth & Rau belastet seinen Mutterkonzern, den Schweizer Solar-Konzern Meyer Burger. Hohe Abschreibungen belasteten mit 91 Millionen Euro. Die Solarkrise sorgte bei Roth & Rau für einen Jahresverlust von 123 Millionen Euro. Der Auftragseingang brach um 70 Prozent ein. Meyer Burger verzichtete angesichts der Misere auf einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Andernfalls hätten die Schweizer die Verluste bei Roth & Rau ausgleichen müssen.
Sunways
Der chinesische Solarriese LDK griff jüngst nach der Konstanzer Sunways, die 2011 in die Verlustzone geraten war. Nach einer Kapitalerhöhung ist LDK inzwischen zu knapp einem Drittel an der Firma mit ihren rund 340 Mitarbeitern beteiligt.
Transportproblem umgehen
Allerdings kann Griechenland mit dem produzierten Strom alleine nichts anfangen. Die Pläne gehen von einer Leistung von 10.000 Megawatt aus, wenn alle Paneele installiert sind – das Land will aber nur zehn Prozent der produzierten Energie selbst verbrauchen.
Für den Export wären Hochspannungsleitungen über den Balkan und die Alpen nötig. Der Leitungsbau hält aber schon zwischen Nord- nach Süddeutschland nicht mit dem Windstrom-Wachstum Schritt. Minister Papakonstantinou will das Problem nun teilweise umgehen: Zwar sehen die Pläne vor, dass rund vier Fünftel des Stroms tatsächlich über Hochspannungsnetze in andere europäische Länder exportiert werden. "Etwa zehn Prozent aber werden wir nur statistisch exportieren", sagte der Minister. "Das ist das erste Mal, dass jemand von der Möglichkeit des virtuellen Exports Gebrauch macht."
Dieser Kunstgriff ist in einer EU-Verordnung von 2009 vorgesehen. "Die Energie wird in Griechenland verbraucht, aber in der Energiebilanz der Käuferländer berücksichtigt", sagte der Minister. Das passt in die Strategie der EU-Kommission für Erneuerbare Energien, die vorsieht, einen europäischen Markt für Energie zu schaffen. Was nach Zahlenschieberei klingen mag, könnte in der Tat anderen europäischen Ländern dabei helfen, ihren Verpflichtungen nachzukommen. So haben Italien und Luxemburg deutlich gemacht, dass sie die ehrgeizigen EU-Klimaziele verfehlen werden. Die EU plant unter anderem, bis 2020 den Anteil Erneuerbarer Energien in jedem Land auf 20 Prozent zu steigern.
"Wir sind in Gesprächen mit Italien und Luxemburg", bestätigte Papakonstantinou. "Und auch mit Deutschland, das seine Ziele zwar erreicht, das aber die Chance sieht, seine Energiekosten durch den Import griechischen Solarstroms zu senken, ob der nun physisch oder statistisch geschieht."
Bundesregierung lehnt Subventionen ab
Die Verhandlungen liefen, zunächst spreche man über 300 bis 500 Megawatt Leistung. In Deutschland sind Solaranlagen mit einer Leistung von etwa 17.000 Megawatt installiert. Die Bundesregierung lehnt Subventionen für den nur auf dem Papier importierten Ökostrom ab. "Das respektieren wir", sagte Papakonstantinou. "Wir sprechen auch nicht darüber, die deutschen Einspeisungsvergütungen für Griechenland zu öffnen. Derzeit bereiten wir bilaterale Abkommen vor, bei denen auch der Preis verhandelt wird." Dieser Strompreis solle zwar "irgendwo nahe der deutschen Einspeisevergütung" liegen, der Aufschlag aber nicht allein vom deutschen Energiekunden finanziert werden. "Die Differenz zwischen Erzeuger- und Endkundenpreis wird von den Empfängerländern und möglicherweise durch EU-Mittel kofinanziert werden müssen."
Der Minister versprach, dass Helios bald ohne Geld der öffentlichen Hand auskommen werde. Unterstützung sei nur für die erste Phase des Projekts vonnöten, für die ersten 2000 Megawatt, die bis 2016 oder 2017 erreicht werden sollen. "Danach wird griechische Sonnenenergie zu Marktpreisen zur Verfügung stehen, kalkuliert auf einen normalen Preisanstieg gegenüber heute."
EU-Kommissar Oettinger unterstützt Projekt
Davon geht auch EU-Energiekommissar Günther Oettinger aus, ein Unterstützer des Projektes. "Wir brauchen Erneuerbare Energien, aber wir sollten sie dort produzieren, wo die Kosten am niedrigsten sind", sagte Oettinger. Helios sei "eine große Chance", für die Griechen ebenso wie für Länder in Mittel- und Nordeuropa, die Sonnenenergie "zu niedrigen Preisen" importieren könnten.
Noch ist Helios freilich kaum mehr als ein Projekt. Aber Griechenland macht Tempo. Das Parlament hat bereits einem Gesetz zugestimmt, das öffentliches Land für Helios zur Verfügung stellt, auch Baugenehmigungen sollen rasch erteilt werden. Papakonstantinous Zeitplan sieht die Ausschreibung einzelner Produktions- und damit Exporttranchen für "Anfang 2013" vor, den Bau der ersten Anlagen im Lauf des kommenden Jahres.
"Das hieße, die ersten Teile des Systems könnten 2014 die Produktion aufnehmen", sagte er. Wenn sich Investoren finden. Der Minister lockt: "Das Hauptproblem in Griechenland ist die Projektfinanzierung. Aber mit den Abkommen, die wir schließen, ist das Risiko des Investors kein griechisches, sondern ein deutsches oder italienisches, weil dort die Energie verbraucht wird."