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Höchste Zeit für die Fortsetzung des Integrationsprozesses der Europäischen Union

EU

Eine Welt im Wandel - Europa verschläft die Entwicklungen

Die weltpolitischen Entwicklungen und Krisen haben Europa vor eine Vielzahl von Herausforderungen und Probleme gestellt. Die EU konnte darauf bislang kaum zufriedenstellende Antworten finden. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass der Ausbau zu den Vereinigten Staaten von Europa nicht konsequent betrieben wurde. Bei vielen Bürgern herrscht deshalb EU Verdrossenheit, der europäische Gedanke ist unpopulärer denn je. Die sich in den letzten Jahren jagenden Krisen sollten jetzt aber als Chance für einen Neuanfang und als Anlass für die Fortsetzung des Integrationsprozesses hin zu einer Europäischen Föderation verstanden werden.

Früher sei das Leben ein langer ruhiger Fluß gewesen, hieß es mal in einem französischen Spielfilm von 1988. Heute, im Jahre 2017 gilt das nicht mehr. Die weltwirtschaftlichen und geostrategischen Entwicklungen lassen das Weltgeschehen eher als einen reißenden Fluß voller unberechenbarer Stromschnellen erscheinen. Das weltpolitische Gleichgewicht scheint aus den Fugen geraten, aufstrebende und wiedererstarkte Nationen beanspruchen eine Stellung als Supermacht, Russland bildet gemeinsam mit China und dem Iran ein ernstzunehmendes Pendant zur bisherigen westlichen Welt der USA und der Nato, einer Welt in welcher die USA anscheinend nicht mehr den Weltpolizisten spielen möchte.

Neue Waffenbrüderschaften bedrohen das militärische Gleichwicht in der Welt. Andere Nationen wiederum streben den Status einer Regionalmacht an und wollen ihre Territorialansprüche wieder aufleben lassen. Alte Bündnisse werden quasi über Nacht aufkündigt und neue Allianzen geschmiedet, wie man u.a. am Beispiel Syriens sehen kann. Der mittlere Osten steht in Flammen,  der arabische Frühling hat nicht die erhoffte Lieberalisierung gebracht, Radikalisierung und Gewalt breitet sich immer weiter aus, die Gefahrenzone kommt Europa bedrohlich nahe. Nationalismus, Populismus und Rassismus befinden sich auf einem Rekordhoch.  Der Welthandel gerät aus den Fugen, die Globalisierung und auch die jünste Abkehr der USA davon, erfordert neue Denkansätze und Strategien. Der Brexit kündigt gravierende Folgen für die EU an, bilaterale Handelsabkommen mit den USA, der Türkei und anderen nicht EU-Ländern verbunden mit Steuersenkungen etc. werden die wirtschaftlichen Verhältnisse dramatisch zu Ungunsten der EU verändern. Es drohen Handelskriege und die Europa wird nicht umhinkommen, angemessen auf diese sich ändernde Gemengelage angemessen zu reagieren. Europa steht unter Druck. Diese Herausforderungen wird es aber nur einer starken Gemeinschaft meistern können.

Europaeische-Union-LaenderVon der Entsteheung der Europäischen Idee bis heute

Die Europäische Union (EU), erweckt in letzter Zeit den Eindruck als würde es sich nach all den Krisen in einem Auflösungsprozess befinden. Die Gründungsväter Europas, getrieben von ehernen Idealen, wollten nach den düsteren Jahren des ersten und zweiten Weltkrieges ein europäisches Friedensprojekt schaffen, in Europa sollte nie wieder Krieg herrschen. Dazu wurden ab 1948 ein vielversprechender Anfang gemacht und verschiedene Verträge abgeschlossen, dem Brüsseler Pakt folgten die Pariser Verträge, als weiterer Integrationsschritt dann im Jahre 1957 die Römischen Verträge. Ziel der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) sollte damals die Schaffung eines gmeinsamen marktes für die freie Bewegung von Waren und Dienstleistungen, sowie von Kapital und Arbeitskräften sein. In der weiteren Entwicklung Europas stand ab Ende der 80er unter der Ägide von Jaques Delors die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes und einer Föderation der europäischen Staaten im Vordergrund. In diesem Zeitraum erfolgte sukzessive die europaweite Angleichung des Wirtschaftsrechts, Meilensteine auf diesem Weg waren zwischen 1992 und 2003 der Vertrag von Maastricht zur Schaffung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, die Verträge von Amsterdam und Nizza, welche weitere Integrationsschritte durch engere Koordinierung der Außen- und Sicherheitspolitik, der Justiz und Wirtschaft, sowie durch die spätere Einführung einer gemeinsamen Währung, des Euro, brachte. Mit dem Schengener Abkommen wurden die Grenzkontrollen an den europäischen Binnengrenzen abgeschafft und mit der Einführung des Euro eine gemeinsame Währung eingeführt. Im Jahre 2000 wurde folgerichtig erkannt, dass Europa eine Antwort auf die aufkommende Globalisierung geben musste. Der Europäische Rat proklamierte dabei im März 2000 in Lissabon als strategisches Ziel für das kommende Jahrzehnt die Wandlung der „Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt – einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen.“ Zwischenzeitlich hatte aufgrund des Zerfalls des Ostblocks nach Beendigung des Kalten Krieges die Osterweiterung durch Aufnahme von 12 osteuropäischen Ländern und damit die Erweiterung von 15 auf 27 Mitgliedsstaaten stattgefunden. Europa befand sich damit über viele Jahrzehnte in einem stetigen, aktiven Integrationsprozess auf dem Weg zur Schaffung einer europäischen Föderation. Einen ersten Dämpfer erlitt die EU aber im Jahre 2004 als die Ratifizierung des ausgearbeitete Verfassungsvertrages jedoch am Referendum Hollands und Frankreichs scheiterte. Teile des Verfassungsvertrages wurden dann im Jahre 2007 in den Vertrag von Lissabon aufgenommen, welcher 2009 in Kraft trat.

Europa in der Krise

Europe ComisionMit der Entstehung der Finanzkrise im Jahre 2007 und der sich daran anschließenden Banken- , Euro und Länderkrise wurde die EU von einer Welle negativer Entwicklungen erschüttert, welche sich über die Banken-, Wirtschafts- und Griechenlandkrise bis hin zur Flüchtlingskrise im weiter auftürmte. Wirklich zufriedenstellende Lösungen wurden dabei kaum gefunden, EU Verdrossenheit macht sich deshalb breit. Dabei rächte sich einerseits die fehlende Vollendung der europäischen Integration nach dem Jahre 2000, welche sich teils in Handlungsunfähigkeit der Institutionen niederschlug. Andererseits beschleunigten eine Reihe falscher Entscheidungen die Turbulenzen und Probleme in welche die EU geraten war. Ferner wurden auf die weltpolitischen Entwicklungen nicht die passenden Antworten gefunden. Es wurde schlichtweg versäumt, in dem schmalen Zeitfenster zwischen der dem Niedergang des Ostblocks und der Neuregelung der Weltordnung Fakten zu schaffen und die Europäische Föderation zu vollenden. Nur ein vollständig vereintes Europa kann auf die Herausforderungen unserer Zeit angemessen reagieren und zufriedenstellende Lösungen finden. Hinzu kommt, dass die europäische Politik im Laufe der Jahre den Eindruck eines trägen und introvertierten Debattiervereins erweckte, in welchem viele Meinungen geäußert werden, aber keine Entscheidungsfähigkeit gegeben ist. Realitätsfremde und mutlose Entscheidungen, anstatt angemessene Reaktionen auf die neuen Herausforderungen der Zeit verschärfen diesen Eindruck. Als wäre das Weltgeschehen ein Spielfilm und die EU nur Zuschauer und Kommentatoren statt Akteure.

Schnelle Fortschritte bei der Integration und Vervollständigung der EU sind entscheidend Auf die Herausforderungen unserer Zeit findet die EU bislang keine zufriedenstellenden Antworten und steht deshalb ernom unter Druck. Durch die Handlungsunfähigkeit Europas ist darüber hinaus ein Machtvakuum entstanden, welches die negativen Prozesse beschleunigt hat. Deutschland als das wirtschaftsstärkste Land Europas ist dabei seiner natürlich gegebenen Führungsrolle nur in beschränktem Maße gerecht geworden und Frankreich hat über die Jahre seine Rolle als Tandem Deutschland in hohem Maße eingebüßt. Natürlich beruht der Wohlstand Deutschlands zuerst auf seinen hervorragenden Produkten und Dienstleistungen. Auf der anderen Seite ist aber das enorme Wirtschaftswachstum insbesondere auch auf den relativ schwachen Euro, die niedrigen Zinsen und dem freien Warenverkehr zurückzuführen, wobei dies u.a. auf die Krisen in einigen süd- und südosteuropäischen Ländern zurückzuführen ist, wie zB in Griechenland. Den Medien kommt hierbei eine entscheidende Rolle zu. Populistische Berichterstattung und Desorientierung der Bürger ist hier der falsche Weg. Die Medien tragen deshalb einen erheblichen Teil der Verantwortung an der EU Verdrossenheit der Bürger. Denn populistische Berichterstattung in den Medien und der materielle Wohlstand in einigen europäischen Staaten täuschen über die latente Gefahr hinweg, welche auch den wirtschaftsstarken europäischen Nationalstaaten droht.

Dabei ist Europa für die Europäer und den Erhalt seiner Errungenschaften eine alternativlose Einbahnstraße. Darüber hinaus lehrt die Geschichte, dass alle großen Mächte dieser Welt, die eine weltpolitische Rolle spielen möchten, bestimmte Gemeinsamkeiten aufweisen. Große Gebietsfläche und hohe Bevölkerung ermöglicht einen großen, robusten und exportunabhängigen Binnenmarkt, ferner hat ein solches Staatsgebilde ein anderes militärisches und außenpolitisches Gewicht. Das unfertige Haus Europa hingegen ist in größter Gefahr, von den Ereignissen des Weltgeschehens überrollt zu werden und als gutes aber gescheitertes Projekt in die Annalen der Geschichte einzugehen. Die europäischen Nationalstaaten hingegen werden dann für sich alleine wirtschaftlich auf Dauer kaum überlebensfähig sein. Sich bereits abzeichnender Protektionismus des nationalen Binnenmarktes, wie zB derzeit in den USA, wird es Exportweltmeistern sehr schwer machen, ihre Absatzmärkte und damit den Wohlstand im Inland zu sichern.

Europa muß sich deshalb wieder auf die Stärke seiner Gemeinschaft, der europäischen Gemeinschaft besinnen. Das vereinte Europa ist mehr als die Summe seiner Nationalstaaten, das muß endlich wieder begriffen werden. Europa muß sich auf die Kraft seiner gemeinsamen Grundwerte und Ideale besinnen: Frieden - Freiheit - Demokratie - Grundrechte – Wohlstand – Solidarität und seine Identität, Kultur und Demokratie schützen. Es muß endlich wieder selbständig handeln und sich von Abhängigkeiten befreien. Sich auf Dritte zu verlassen, war noch nie wirklich zielführend. Europa ist viel zu wertvoll um mit mutlosen Entscheidungen demontiert zu werden. Das Weltgeschehen entwickelt sich zunehmend in eine bedrohliche und aggressivere Richtung, das darf nicht ignorieren werden. Das europäische Menschen.- und Gesellschaftsbild wird nicht überall geteilt. Allein mit Gutmenschentum kann man die Herausforderungen unserer Zeit nicht meistern. Es müssen auch unangenehme Entscheidungen zum Selbstschutz getroffen werden: Demokratie darf auch wehrhaft sein, um ihren Bestand zu schützen. Deutschland spielt in diesem notwendigen Prozess des Umdenkens eine entscheidende Rolle. Die Politik sollte deshalb die jüngsten weltpolitischen Entwicklungen als Chance für einen Neuanfang Europas begreifen und nicht in lähmender Handlungsstarre verharren.


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