
Das Weltbild für welches Europa steht, beruht u.a. auf den Grundwerten Liberalität, Humanismus, Achtung vor dem Leben und auf dem Festhalten am Glauben, dass die Menschheit über Bildung zu einer besseren Existenz und Gesellschaftsform finden kann, dessen Verwirklichung jedem die bestmögliche Persönlichkeitsentfaltung ermöglicht.
Die Vereinigten Staaten von Europa sind dabei nicht nur die Vision einiger Romantiker, sondern bitternotwendige und überlebensnotwendige -derzeit allerdings nur eine halbfertige- Realität.
Europa begann nach all dem Leid des WK II als Friedensprojekt. Herausragende Persönlichkeiten wie R. Schuman, J. Monnet, Churchill oder Adenauer erkannten die Notwendigkeit des Vereinten Europas. Besinnung auf die Grundwerte einer humanen Gesellschaft, Überwindung der Nationalstaatendenkens, Zusammenschluss zu einem größeren, einheitlichen Ganzen. Aber auch die nachfolgende Politikergeneration mit herausragenden Persönlichkeiten wie Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Giscard d `Estaing, H.D. Genscher, Willi Brandt u.a. erkannte die Notwendigkeit eines Vereinten Europas und trieben deshalb dessen Ausbau voran.
Soll also diese grandiose Vision der Vordenker, welche über viele Jahre konstant umgesetzt wurde, nun am Ende an der fehlenden Fertigstellung des Projekts scheitern und als blose Interessengemeinschaft einer rein wirtschaftlich orientierten Willensbildung enden?
Der Philosoph und Soziologe Prof. Habermas befürchtet gar, "dass der Politik für ein so großes Projekt wie die Einigung Europas die Luft ausgeht….“
Die Gründe hierfür liegen im wesentlichen darin, dass europäischen Politiker in den letzten beiden Jahrzehnten es meist vorgezogen haben, entweder den Weg für ihre Konzerne zu ebnen, damit diese im Resteuropa barrierefrei ihre Gewinne mehren können, oder wie im Falle Griechenlands ihren Klientelstaat im eigenen Interesse bei Laune zu halten, anstatt die Vereinigten Staaten Europas voranzutreiben. Die Mehrung der Konzerngewinne vermitteln dabei die trügerische Sicherheit, dass damit auch der Weg zu einer besseren Welt und zum weiteren Ausbau Europas geebnet sei und die Grundwerte des Europäischen Gedankens vernachlässigt.
Die Zukunft Europas liegt in der Bildung und Wissenschaft, sie lebt von der Vermittlung von Grundwerten wie Friede, Freiheit, Humanität und der Solidargemeinschaft. Auf diese Werte gilt es sich wieder zu Besinnen und zu verstehen, dass diese Grundausrichtung des Europäischen Gedankens keine überholte Sichtweise aus der Retrospektive ist, sondern eine Lösung für die real existierenden großen Herausforderungen unserer Zeit bieten.
Ja Pragmatismus und Realpolitik spielen eine gleich wichtige Rolle, denn die nun in regelmäßigen Wellen über Europa hereinbrechenden Krisen kommen nicht von ungefähr. Die Krisen haben ihre Ursachen und stehen in einer Wechselwirkung mit ihrem unzureichenden Handling.

Die verherenden Auswirkungen auf Europa wie die Finanz- und Bankenkrise, die Griechenlandkrise, die Migrantenkrise, die Krise in der Ukraine und wie alle weiteren folgenden Krisen, sind die Folgen des fehlenden konsequenten Ausbaus der EU. Quasi ein halbfertiger Rohbau ohne Dach oder Türen etc., mit welchem es immer Probleme geben wird, wenn die Mängel nicht endlich beseitigt werden.
Veranschaulicht am Beispiel der Verteidigungspolitik wird dies klar. Die Europäer haben ihr Nationalstaatendenken in der Vergangenheit mit den blutigsten und zerstörerischten Jahrhunderten bezahlt. Von europäischem Boden sollte deshalb niemals wieder Krieg ausgehen. Wie der Begriff bereits aussagt, dient Verteidigungspolitik der Verteidigung. Angriffskriege sollten geächtet werden.
Anstatt aber diese Grundsätze in eine eigene Verteidigungspolitik einfließen zu lassen, wird die Verteidigung Europas der Nato und Amerika überlassen. Natürlich sind die Interessen Europas und der Nato in vielen Punkten -aber eben nicht in allen- deckungsgleich. Dies wird am Beispiel der Ukraine besonders deutlich. Hier lässt sich Europa in eine Auseinandersetzung mit Russland drängen, die man als Europäer überhaupt nicht möchte. Es ist offensichtlich, dass die Interessen nicht deckungsgleich sind.
Übernahme von Verantwortung im Weltgeschehen. Durch die katastrophale Destabilisierungspolitik im mittleren Osten, ist in Ländern wie zB Afghanistan, dem Irak und nun auch in Syrien ein Machtvakuum entstanden, welches nun auf dem Wege ist, von Terrorgruppen ausgefüllt zu werden. Europa wird schleichend in diese Konflikte hineingezogen, ohne jemals ein echtes Interesse an dieser Politik gehabt zu haben. Würde Europa mit einer Stimme, beispielsweise der eines gesamteuropäischen Aussenministers sprechen, könnte Europa selbst Einfluß auf das Weltgeschehen nehmen und wäre nicht nur Mitläufer und Leidtragender der Politik anderer.
Asyl- und Migrationspolitik: Wir erleben derzeit bekanntlich die größte Migrationswelle nach Europa. Natürlich soll es in Europa für Kriegsflüchtlinge jederzeit Asyl geben, schließlich ist das ein Grundrecht der europäischen Verfassungen. Aber die unkontrollierten Förderung der Einwandererströme ohne jegliche Prüfung von Herkunft und Migrationshintergrund bzw. Motivation ist unverantwortlich. Hier wird eine Bedrohungslage für Europa und die Europäer geschaffen, die nicht mehr reversibel ist. Dabei entsteht diese Bedrohungslage nicht durch die echten Asylsuchenden, sondern durch all die anderweitig Motivierten, die mit diesen Migrationswellen unkontrolliert in die EU einwandern. Das mußte man nun sehr schmerzhaft an den tragischen Ereignissen in Paris am 13.11.2015 endgültig zur Kenntnis nehmen.
Die Liberalität und die Humanität Europas darf nicht dazu mißbraucht werden, um ihre freiheitlich demokratische Grundordnung mit dem Ziel ihrer Zerstörung zu unterwandern. Der Begriff der wehrhaften Demokratie sollte deshalb wieder mit Leben erfüllt werden. Inanspruchnahme der Grundrechte ja, aber nur für all jene, die sich diesen Werten auch selbst verbunden fühlen und diese nicht nur dazu ausnutzen, um ihr eigenes, leider meist menschenfeindliches und unliberales Weltbild in Europa zu etablieren. Eine offene Gesellschaft kann auf diese Weise nicht überleben.
Dabei zeigt sich die Hilflosigkeit, welche durch den fehlenden Ausbau der EU zu einem einheitlichen Rechtsstatt entstehen, in ihrem ganzen Ausmaß. Denn es wurden zwar die innergemeinschaftlichen Grenzkontrollen durch das Schengener Abkommen aufgehoben, doch hat man offenbar einmal mehr weder den Schutz der gemeinsamen Aussengrenzen zu Ende gedacht, noch ausgebaut. Folge der unkontrollierten Einwanderungsströme und der nur unzureichend ausgebauten europäischen Asylpolitik ist nun die Wiedereinführung der Grenzkontrollen und die faktische Auserkraftsetzung von Schengen. Überall in Europa werden bereits wieder Stacheldrahtzäune aufgebaut und die Angst vor Anschlägen geht um. Damit wird die von uns allen hoch geschätzte innereuropäische kontrollfreie Reisefreiheit praktisch aufgehoben, weil die europäische Politik es nicht fertigbringt, eine effektive und einheitliche Asyl- und Einwanderungspolitik zu installieren.
Ja, es gibt Verordnung (EG) 343/2003 (Dublin II). Aber ihr Regelungsgehalt ist unzureichend und nicht geeignet, eine Einwanderungswelle, wie aktuell, zu beherrschen. Denn die Verordnung regelt lediglich, welcher Mitgliedstaat für einen im Geltungsbereich gestellten Asylantrag zuständig ist. „Damit soll erreicht werden, dass ein Asylsuchender innerhalb der Mitgliedstaaten nur noch ein Asylverfahren betreiben kann. Welcher Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, wird durch die in der Verordnung genannten Kriterien bestimmt. Stellt der Asylsuchende dennoch in einem anderen Mitgliedstaat seinen Asylantrag, wird kein Asylverfahren mehr durchgeführt, sondern der Asylsuchende an den zuständigen Staat überstellt.“ (Wikipedia).
Vernachlässigt wurde hierbei nämlich der gemeinsame Schutz der europäischen Aussengrenzen und die Verzahnung mit der Asyl- und Einwanderungspolitik. Zwar existiert die Verordnung (EG) 2007/2004 für die operative Zusammenarbeit an den Aussengrenzen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, wobei auch die Notwendigkeit des weiteren Ausbaus dieser Verordnung erkannt wurde, wie die (EG) Verordnung 1168/2011 beweist, doch besteht der gemeinsame Schutz der europäischen Aussengrenzen derzeit nur auf dem Papier.
Aus den Erwägungen zur Änderung der Verordnung ergibt sich auch, dass die Entwicklung einer vorausschauenden und umfassenden Migrationspolitik, der integrierte Grenzschutz und ein einheitliches und hohes Kontroll- Überwachungsniveau, sowie die verstärkte Koordinierung der Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten zur Bekämpfung der illegalen Zuwanderung, sowie der Bedrohung der inneren Sicherheit und öffentlichen Ordnung an den Aussengrenzen im Vordergrund stehen.
Praktisch sieht es jedoch so aus, dass weder die finanzielle Ausstattung von Frontex gewährleistet ist, noch ausreichend Grenzschützer und die erforderlichen operativen Mittel wie Flugzeuge und Schiffe zur Verfügung stehen, um einen effektiven Grenzschutz gewährleisten zu können. (
https://www.zeit.de/news/2015-08/26/eu-frontex-chef-beklagt-mangelnde-mittel-in-griechenland-26160402). Es erscheint deshalb schon zynisch in diesem Zusammenhang dann zur Kenntnis nehmen zu müssen, dass die Lösung dieser Mängel quasi in einem Outsourcing des Schutzes der europäischen Grenzen durch ein Nicht-EU Mitglied gegen Zahlung von ca. 3 Mrd. Euro und in weiteren Zugeständnissen zur Visalockerung liegen soll. Offenbar sind für diese Lösung die notwendigen Mittel vorhanden, welche für die Wahrnehmung eigener europäischer Institutionen nicht vorhanden sind.
Ferner sind unter diesem Hintengrund auch Äußerungen nicht nachvollziehbar, wonach nun als Reaktion auf die unkontrollierte Einwanderung der verstärkte Schutz der Binnengrenzen, wie zB der bayerischen, durch den Bundesgrenzschutz erfolgen soll. Man wundert sich wirklich, weshalb Frontex nicht mit Grenzschützern aus ganz Europa ausgestattet wird, die aufgrund des Wegfalls der Binnengrenzen dort nicht mehr gebraucht werden. Es liegt doch mehr als nahe, dass diese Kapazitäten zum Schutz an die Aussengrenzen verlegt werden sollten. Das ist doch ein aussagekräftiges Beispiel aus dem alltäglich praktizierten europäische Wahnsinn.
Thema Euro: Diese Währung wird nur dann wirklich von allen ernst genommen werden, wenn dahinter auch ein Staatenkonföderation steht und nicht nur ein diffuses Konglomerat von Staaten, dessen gemeinsamer Nenner nicht einmal definiert ist. Den Spekulanten und der Hedgefonds fast schutzlos ausgeliefert, mussten erst Mechanismen im Laufe der Krise entwickelt werden, um auf die Bankenkrise, spätere Finanz- und Wirtschaftskrise reagieren zu können. Auch heute noch sind die Schutzmechanismen unzureichend. Die EZB hat nahezu ihre Mittel erschöpft, ohne dass die Folgen der Banken- und Finanzkrise überwunden wären.
Fehlende einheitliche Fiskalpolitik: Voraussetzung für einheitliche wirtschaftliche Entwicklung in der EU wäre u.a. eine einheitliche Fiskalpolitik. So sind zB In Griechenland zur Ankurbelung der griechischen Wirtschaft Investitionen erforderlich. Um Investitionen anzuziehen ist ein attraktives Investitionsumfeld erforderlich.Zur Bekömpfung der Krise wurden in Griechenland allerdings die Steuerarten und Steuersätze sehr stark erhöht und reichen in Summe teilweise auf ca. 50%. Wenige km über die Grenze nach Bulgarien beträgt der Einkommensteuersatz allerdings nur 10%. Man fragt sich, wie unter diesen uneinheitlichen Wettbewerbsbedingungen Aufbau und Wirtschaft ohne einheitliche Fiskalpolitik entstehen soll.
Es könnte noch eine Vielzahl weiterer Beispiele aufgezählt werden. Als vielleicht wichtigster Punkt sogar die fehlende gemeinsame Verfassung, als Grundvoraussetzung für einheitliches und koordiniertes Handeln auf der Grundlage gemeinsamer Werte.
Nationalstaaten, auch Deutschland, werden jedenfalls in den nächsten Jahrzehnten ohne eine zu Ende gedachtes und fertigkonstruiertes Europa größte Überlebensschwierigkeiten bekommen, alle aufstrebenden Nationen oder Supermächte haben nämlich eines gemeinsam: große Bevölkerung und Landflächen, damit große Binnenmärkte, welche sie von Exporten unabhängiger macht. Deutschland, der Exportweltmeister zB, hat einen verschwindend kleinen Binnenmarkt mit seinen 80 Mio. Einwohnern verglichen an seiner Produktionsleistung.
Der Ausbau Europas ist aktueller denn je. Die Politiker in den europäischen Nationalstaaten müssen endlich einsehen, dass nur die Vereinigten Staaten von Europa eine Zukunftsperspektive bieten.
Wenn es uns jetzt nicht gelingt, die Vereinigten Staaten von Europa voranzutreiben, dann werden die weiteren Krise eine Zerreißprobe darstellen, welche zum Auseinanderfallen der EU führen kann und vermutlich dann auch wird. Mit verheerenden Folgen für Europa und die Europäer und einem Rückfall in endgültig vergangen geglaubte, frühere Zeiten.